Bürgerinitative für eine verträgliche Retention im Paminaraum e.V.

- Seit 12.11.2018 anerkannter Umweltverband nach § 3 UmwRG -I1.3 890 150/163 -




Polder Bellenkopf/Rappenwört

Der EuGH hat entschieden und er folgt der Empfehlung seines Generalanwalts lediglich mit einer Einschränkung

Die EuGH-Entscheidung stellt das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot nicht in Frage, sondern schränkt lediglich die Genehmigungsfähigkeit dahingehend ein, dass sich die Verschlechterung auch auf ein größeres Gewässer auswirkt muss. Dadurch bleibt aber der Planträger in der Pflicht, dass er die vom Generalanwalt als Ad-Hoc-Zustandsermittlung bezeichnet Untersuchung durchführen muss, bevor die Genehmigung versagt oder ausgesprochen werden kann.

Hier weichen die Vermutungen des VGH deutlich von der Beurteilung des EuGH ab.

Der VGH in der Urteilsbegründung (S. 73):
"Hieraus folgt nach Auffassung des Generalanwalts, dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer vorherigen Einstufung nach Maßgabe der Art. 5 und Art. 6 WRRL dazu verpflichtet seien, im Rahmen eines konkreten Genehmigungsverfahrens in entsprechender Anwendung von Art. 5 Abc. 1 WRRL eine Ad-hoc-Überprüfung der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf den Zustand dieses Wasserkörpers und eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzung durchzuführen und hierfür geeignete Bewertungskriterien aufzustellen (vgl. GA Rantos, Schlussanträge C-301/22, Rn. 61).
Dieser Auslegung vermag der Senat auf Grundlage der Systematik der Richtlinie und der hierzu ergangenen Rechtsprechung nicht zu folgen. ..."

Anders der EuGH in Rn 57:
"Daher darf eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, wenn sie einen Antrag auf Genehmigung eines Vorhabens prüft, das einen See mit einer Oberfläche von weniger als 0,5 km² beeinträchtigen könnte, diese Prüfung nicht auf die Auswirkungen des Vorhabens auf diesen See beschränken. Um zu bestimmen, ob dieses Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen oder die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines solchen Gewässers gefährden kann, hat sie vielmehr die Wasserkörper, die mit diesem See verbunden sind, zu berücksichtigen."

Für diese Ad-Hoc-Untersuchung, die der EuGH nicht verneint, sind die Anhänge II + X der Wasserrahmenrichtlinie maßgebend.

Weder im Planfeststellungsantrag noch im Planfeststellungsbeschluss werden Ergebnisse solcher Prüfungen dargestellt oder thematisiert, die die Anforderungen der Anhänge II + X erfüllen.
Sie müssten aber den Anforderungen der Anhänge II + X entsprechen, da die Folgewirkungen auf eine größeres Gewässer schließlich auch nur auf Basis der Ergebnisse der Anhänge II + X bestimmt werden müssten.

Folglich erfüllt weder der Planfeststellungsantrag, noch der Planfeststellungsbeschluss die europarechtlichen Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie.

Die Ausführungen des VGH in der Urteilsbegründung (S. 66) : "Im Übrigen waren der Ist-Zustand und die Auswirkungen des Vorhabens auf den den Fermasee jedenfalls Gegenstand der hilfsweise vorgenommenen „Limnologischen Untersuchung",..." sind nicht mit der Rn 57 des EuGH-Urteil in Einklang zu bringen. Diese nachgeschobenen Limnologischen Untersuchungen erfüllen nicht einmal ansatzweise, die in Anhänge II + X festgelegten methodischen Anforderungen.

Der Planfeststellungsantrag war und ist so nicht genehmigungsfähig.

Deshalb bleibt es z.B. auch bei unserem Antrag auf Aufhebung des rechtswidrigen Planfeststellungsbeschlusses zum Polder Bellenkopf/Rappenwört.

Die Entscheidung des VGH war voreilig: Man hätte besser das Verfahren so lange ausgesetzt, bis das Urteil des EuGH vorgelegen hätte, zumal dieser Zeitraum sehr überschaubar war.

Die vorläufige Urteilsbegründung findet man hier.


Man kann das Planfeststellungsverfahren im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:






Dammbau, wie in der Steinzeit

Das Thema Absperrdämme (XXVa und XXVI) wurde vom VGH komplett ignoriert. Unser Kritikpunkt, dass eine Störfallbetrachtung fehlt, wurde mit dem abwegigen Verweis auf das Szenario „Der Damm bricht bei Elchesheim/Illigen“ abgetan. Der Planträger hat dies, wie zu erwarten war, als das größte Risiko dargestellt, obwohl dieses Szenario abwegig ist.
Das Störfallrisiko ergibt sich aus den mit der Eintrittswahrscheinlichkeit gewichteten Störfallfolgen. Am Oberrhein gab es in der Vergangenheit noch nie einen Bruch eines Rheindamms. Jüngste Hochwasserereignisse z.B. zur Weihnachtszeit 2023 in Niedersachsen zeigen, dass Erddämme mehr denn je ein erhöhtes Risiko darstellen. Im Gegensatz zum Bruch eines Rheinseitendamms ist das Risiko des Bruchs eines belasteten Sperrdammes z.B. des Polders Bellenkopf/Rappenwört mit viel größerer Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
Wir haben entsprechende Erläuterungen und Begründungen beim Gericht vorgelegt. Dies wurde, wie auch die ökologischen Flutungen, vom Tisch gewischt. Interessierte finden hier weitere Informationen zum Thema Störfallrisiken.

Es verwundet schon sehr, dass in Baden-Württemberg immer noch nicht erkannt wird, dass Hochwasser als Folge der Klimaveränderungen immer stärker durch lang anhaltende Starkregenphasen und immer weniger durch Schneeschmelzen hervorgerufen wird.
Bei Starkregen wird die gesamte Oberfläche eines Dammkörpers vernässt. Bei Schneeschmelzen nur die wasserseitige Dammflanke. Dies hat gravierende, negative Auswirkungen auf die Standfestigkeit eines Erddammes. Die Standfestigkeit einer Spundwand wird dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt.
Hinzu kommt, dass hohe ökologische Flutungen zwangsläufig eine Vernässung der Schuztdämme zur Folge haben. Vor diesem Hintergrund sollte schon einmal die Frage erlaubt sein, ob die Interessen der Schutz der betroffenen Bevölkerung überhaupt noch eine Rolle spielt.



Im Dezember 2023 kam es in Niedersachsen schon zu Dammbrüchen, als Folge eines Hochwasserereignisses, was durch länger anhaltenden Starkregen ausgelöste wurde. Bilder

Aktuell (18.5.2024) im Saarland und Rheinland-Pfalz Hochwasserereignisses, was durch zwei Tage anhaltenden Starkregen ausgelöste wurde. Mehr dazu: t-online

Und was lernt man in Baden-Württemberg daraus? Nichts. Bei uns macht man unbeirrt mit der steinzeitlichen Dammbauweise weiter.


Die BI macht natürlich weiter

Der VGH hat in seinem Beschluss nur Maßnahmen an den Dämmen XXVa und XXVI zugelassen. Für alle sonstigen Arbeiten besteht wieder die aufschiebende Wirkung, d.h. es kann nichts gemacht werden, bis das Ergänzungsverfahren abgeschlossen ist.




Das Ergänzungsverfahren muss wieder in die Offenlage, muss erörtert werden und danach bestehen wieder die gleichen Rechtsmittel, wie im vorherigen Verfahren.

Es fehlt eine EU-konforme Beurteilungsgrundlage für die wasserrechtlichen Auswirkungen der Flutungen mit Rheinwasser

Der Planträger hat noch reichlich Baustellen abzuarbeiten. Für uns ist die nicht vorliegende Ad-Hoc-Analyse zu den wasserrechtlichen Auswirkungen der sogenannten ökologischen Flutungen auf die anderen Oberflächengewässer im Polderraum ein zentraler Kritikpunkt. Der VGH spricht lediglich von "hilfsweise vorgenommenen Limnologischen Untersuchung", die aber nicht einmal ansatzweise die Anforderungen der WRRL erfüllen.
Der Grund liegt in der fehlerhaften Annahme des VGH, dass das Verschlechterungsverbot der WRRL nicht für Kleingewässer gilt. Deshalb hält er diese Hilfskonstruktion der "Limonologische Untersuchungen" für ausreichend. In diesem Punkt weicht das VGH-Urteil u.a. entscheidet von dem EuGH-Urteil ab. Deshalb wird dies auch ein wichtiges Thema im Ergänzungsverfahren sein. Wenn in der Ad-Hoc-Analye eine Verschlechterung festgestellt wird, was als sicher anzusehen ist, stellt sich die Frage, mit welcher Begründung Ausnahmen zugelassen werden könnten. Die WRRL bietet für die ökologischen Flutungen hier keine Möglichkeiten.



Nach dem Ergänzungsverfahren besteht wieder die Möglichkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage.

Der EuGH hat das Verschlechterungsverbot bei Kleingewässern nicht verneint, sondern lediglich entschieden, dass deshalb eine Genehmigung nicht versagt werden kann. Er verlangt in Rn 69 ausdrücklich, dass die wasserrechtlichen Auswirkungen (ökologischer und chemischer Zustandsänderungen) des Vorhabens untersucht werden müssen. Zudem das die Auswirkungen nicht nur auf Seen mit einer Oberfläche von unter 0,5 km² beschränkt werden dürfen, sondern alle damit verbundenen Oberflächengewässer zu berücksichtigen sind. Wenn diese Ad-Hoc-Analyse nur eine Verschlechterung der Wasserqualität des Kleingewässers ergibt, kann die Genehmigung nicht versagt werden. Für eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung auf Basis der WRRL würde es aber auch in diesem Falle bei ökologischen Flutungen an den in der WRRL festgelegten Ausnahmetatbestände (Havarie, Dürre oder extremes Hochwasserereignis) fehlen.

Es wäre sinnvoll, wenn das Land Baden-Württemberg spätestens jetzt erkennen würde, dass es sich mit den ökologischen Flutungen auf einem Holzweg befindet.



Ein Revisionsverfahren würde keinen Sinn machen

Im Revisionsverfahren wird nur eine rechtliche Überprüfung vorgenommen.Trotz den oben genannten Rechtsfehlern (unzulässige Ausnahmegenehmigungen etc.) macht eine Revision aus unserer Sicht jetzt noch keinen Sinn.
Der PFB zum Polder Bellenkopf/Rappenwört leidet weiterhin auch an erheblichen materiellen (fachlichen und sachlichen) Fehlern, die in der Revision nicht behandelt werden können.

Ein Revisionsverfahren wäre Geldverschwendung, da wir, damit nicht an die Kernthemen herankämen. Im Ergänzungsverfahren müssen die vom VGH erkannten Mängel (Trenndamm, Probestau, Schnakenpopulation und Schadstoffbelastungen des Bodens), aber vor allem auch die, die sich aus der aktuellen EuGH-Rechtsprechung ergebenden, behandelt werden.
Wenn eine weitere Klage Sinn macht, dann eine Klage nach dem Ergänzungsverfahren. Auch danach ist wieder ein Revisionsverfahren möglich.

Perfluorierte Schadstoffe im Rhein sind seit Jahren ein Thema. Unser Vortrag in der Klagebegründung wertet der VGH wie folgt:
"Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Mai 2022 erstmals das Fehlen von Untersuchungen hinsichtlich des Schadstoffs Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) im Fermasee rügt und mit weiterem Schriftsatz vom 4. Januar 2023 Einwendungen im Hinblick auf die Einhaltung der in Nr. 1.3.4 Anhang V WRRL normierten Überwachungsfrequenzen erhebt, sind diese Erklärungen nach Maßgabe des § 6 Satz 1 UmwRG verspätet und nicht nach Maßgabe des § 6 Satz 3 UmwRG zuzulassen. Insbesondere handelt es sich ausgehend von dem fristgerecht eingegangenen Schriftsatz vom 2. Mai 2022 nicht um vertiefendes Vorbringen, ..." (Urteilsbegründung S. 79). So kann man ein Problem auch entsorgen.

Aus aktuellem Anlass wird diese Stoffgruppe am südlichen Oberrhein heftig diskutiert, wie man dem Artikel der Badischen Zeitung entnehmen kann. PFAS


Wen wundert es, wenn betroffene Bürger zunehmend den Eindruck haben, dass sich weder die Behörden noch das Verwaltungsgericht das viel wichtigere Thema Gewässerverunreinigung meiden, obschon wir alle wissen, dass Wasser unser wichtigstes Lebenmittel ist.



Als Ergebnis bleibt: Der Planfeststellungsbeschluss zum Polder Bellenkopf/Rappenwört verstößt gegen EU-Recht, ist rechtswidrig und muss damit von der zuständigen Behörde wieder aufzuheben werden! Unser Antrag auf Aufhebung liegt seit Monaten beim Landratsamt Karlsruhe vor.


Im Frühjahr 2026 wird in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt. Spätestens danach werden wir weiter sehen.

Alle Bügerinitativen am Oberrhein verfolgen unverändert das Ziel, dass die künstlichen Flutungen mit Rheinwasser beendet werden. Den politischem Willen unterstellt, wäre dies auch kein Problem. Für einen Polderbetrieb ohne die sogennaten ökologischen Flutungen müsste nur die Betriebsweise geändert werden. Bauliche Maßnahmen wären nicht erforderilich.

Der VGH hält schon den „Hinweis auf die überragende Bedeutung des Schutzes von Leib und Leben, abstrakt den Vorrang zu geben vor den durch das Vorhaben beeinträchtigten Natur- und Artenschutzinteressen ...“ (S. 122 der Urteilsbegründung) für nicht berücksichtigungswürdig. Die Politik wird sich fragen lassen müssen, ob dies auch ihre Sicht ist. In den jüngsten Hochwassergebieten (Ahrtal, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland) dürfte sie damit auf wenig Verständnis stoßen.




Den vollständigen Spiegel-Artikel finden Sie hier

Wir brauchen mehr den je, jeden m³ Rückhalteraum!


Wir müssen raus aus der "grünen" Hochwasserpolitik!

Wir haben zum Polder Bellenkopf/Rappenwört alle vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Polderplanung bis hin zur Klage beim Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg ausgeschöpft, aber keine substantiellen Änderungen erreicht. Die Entscheidung des VGH ist für uns nicht nachvollziehbar. Dort spielte offensichtlich die gesichtswahrende Aufrechterhaltung der Begründung des Urteils zum Polder Elzmündung die entscheidende Rolle.



Was wir brauchen, ist ein effizienter Hochwasserschutz und keine Naturschutzromantik von Auwäldern, die ohnehin als Folge des Klimawandels langfristig verschwinden werden, wie die Prognose der LUBW (s. unten) zeigt. Die von der LUBW prognostizieren Veränderungen beziehen sich auf einen Zeitraum von 50 Jahre.

Wir halten auch Erddämme nur in Ausnahmefällen für vertretbar, da sie einerseits mit einem hohen Landschaftsverbrauch verbunden sind und heute im Bereich von Bebauungen nicht mehr die nötige Sicherheit bieten.





Das ökologische Flutungen den Auwald unter den sich ändernden Klimabedingungen nicht wiederherstellen und auch nicht erhalten können, zeigt die obige Grafik der LUBW.

Völlig unverständlich wird das Ganze, wenn man dem gegenüber stellt, dass ökologische Flutungen im Polder Bellenkopf/Rappenwört zu einer bedeutenden Reduktion des Retentionsvolumens führen können. Im Extremfalle um mehr als 50% (s. unten). Auch diese Berechnungen stammen von der LUBW.

Dies alles haben wir dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt, blieb aber ohne Wirkung.

Wir werden deshalb nunmehr verstärkt eine Lösung auf der landespolitischen Ebene suchen.


RP: Schnaken, kein Problem! Die KABS hat alles im Griff!

Das diese Aussage kompletter Unfug ist, wissen wir schon lange. Dieses Jahr (2024) belegt erneut, dass die KABS, so sehr wir sie auch schätzen, das Schnakenproblem auch ohne Polder und sogenannte ökologische Flutungen nicht sicher beherrschen kann. Sobald wir im Mai oder Juni eine lang anhaltendn Regenphase und Hochwasser haben, ist die KABS mit ihren Ressourcen überfordert. Wenn dann noch technisches Gerät (z.B. Helicopter) ausfällt, gibt es praktisch keine Schnakenbekämpfung mehr. Dies ist alles schon mehrmals da gewesen, stellt aber laut Planträger kein Problem dar.


Zum Thema Schnakenbelastungen und anderen Themen muss das RP in Ergänzungsverfahren. Wir wartren mal ab, was uns dort vorgesetzt wird.

Wenn von "oben" nichts brauchbares kommt, muss man sich selbst helfen.