Bürgerinitative für eine verträgliche Retention im Paminaraum e.V.
Der entscheidende Punkt wird Folgendes sein.
Die Anwaltskanzlei des Landes Baden-Württemberg geht von folgender Rechtsauffassung aus:
"... Basierend darauf stellt der
Fermasee aufgrund seiner Größe von unter 0,5 km² keinen eigenständigen Oberflächenwasserkörper im Sinne der WRRL dar,
mithin ist das Verschlechterungsverbot des § 27 WHG auf ihn nicht anzuwenden, ..."
Völlig anders die Sicht des Generalanwalts am EuGH in seinen Schlussanträgen von 21.9.2023. Er sagt u.a.:
"Daher schlage ich vor,
auf die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen ist, dass sich die zuständigen
nationalen Behörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für ein Vorhaben, das einen See betrifft, für den wegen
seiner geringen Oberfläche keine Beschreibung oder Einstufung vorgenommen wurde, durch eine Ad-hoc-Analyse vergewissern müssen,
dass dieses Vorhaben nicht zu einer Verschlechterung des Zustands dieses Oberflächenwasserkörpers im Sinne
von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie führen kann."
Dies ist übrigens auch die Sicht der EU-Kommission.
Zwischen beiden Parteien gibt es einige elementare Unterschiede:
Während der Rechtsbeistand des Landes Baden-Württemberg
die Rechtsauffassung seines Auftraggebers vertreten muss, ist der Generalanwalt unabhängiger Richter am
Europäischen Gerichtshof. Zudem ist der Europäische Gerichtshof seinerseits die höchste Gerichtsinstanz bei Umweltthemen.
Da uns der Sachverhalt bereits vor der mündlichen Verhandlung beim VGH bekannt war, haben wir uns darauf eingestellt, notfalls Revision beim Bundesverwaltungsgericht zu beantragen, da in jedem Falle davon auszugehen ist, dass vor dem Revisionstermin beim Bundesverwaltungsgericht ein bindendes Urteil des EuGH vorliegen wird.
Dies würde zwangsläufig die Aufhebeung des Planfeststellungsbeschlusses (PFB) zum Polder Bellenkopf/Rappenwört nach sich ziehen.
Wenn der PFB aus anderen Gründen aufgehoben würde, wäre aus Sicht der BI ein Antrag auf Revision verzichtbar.
Es ist ein gesteuerter Polder und ungesteuerten ökologichen Flutung mit einem Einstauvolumen von 7,7 Mio m³ auf einer Fläche von ca. 595 ha geplant.
Die Ortsgruppe wendet sich in erster Linie gegen die geplanten ungesteuerten ökologischen Flutungen.
Es ist eine Dammrückverlegung mit einem Retentionsvolumen 12 Mio m³ auf einer Fläche von ca. 400 ha geplant.
Die Ortsgruppe wendet sich in erster Linie gegen die Dammrückverlegung anstelle eines gesteuerten Polders.
Es ist eine Dammertüchtigung in Erdbauweise auf einen Länge von 3,9 km geplant. Hierzu müsste der gesamte Baumbestand entfernt werden.
Die Ortsgruppe wendet sich gegen die Erdbauweise und möchte stattdessen eine resiliente Dammbauweise. Dadurch könnte u.a. der überwiegende Baumbestand erhalten werden.
Es ist eine gesteuerter Reservepolder mit einem Einstauvolumen von 27,7 Mio m³ auf einer Fläche von ca. 1100 ha geplant.
Die Ortsgruppe wendet sich gegen den geplanten Reservepolder.
Es ist ein gesteuerter Polder mit ungesteuerten ökologichen Flutung mit einem Einstauvolumen von 14 Mio m³ auf einer Fläche von ca. 510 ha geplant.
Die BI wendet sich in erster Linie gegen die geplanten ungesteuerten ökologischen Flutungen.
Die Bürgerinitiative für verträgliche Retention im Paminaraum e.V. ist seit 2018 als Umweltverband nach § 3 UmwRG vom Umweltbundesamt anerkannt (AZ. I1.3-90/150/163).
Die BI führt z.Z. eine Verbandsklage gegen den Planfeststellungsbschluss vom 23.12.2020 zum Polder Bellenkopf/Rappenwört.
Die Klage richtet sich nicht gegen den Hochwasserrückhalteraum Bellenkopf/Rappenwört als solchen, sondern gegen seine Betriebsweise mit sogenannten ungesteuerten ökologische Flutungen und einige planerische Mängel, z.B. die vorgesehene Dammbauweise.
9.3.2021 Klageeinreichung und Antrag auf Streitwertfestsetzung auf 30.000 € der BI ging beim VGH -AZ 3 S 82/21- ein (fristwahrend);
10.3.2021 Beschluss des VGH der Streitwert wird für die BI auf 30.000 € festgesetzt.
15.5.2021 Klagebegründung der BI ging beim VGH ein (330 Seiten) und ca. 100 einschlägige Literaturquellen.
31.5.2021 Eilantrag der BI (§ 80 Abs. 5 VwGO) eingereicht. (11 Seiten)
15.6.2021 Die Beklagte verzichtet bis 15.1.2022 auf den Sofortvollzug. Bittet gleichzeitig um Fristverlängerung für ihre Antwort auf die Klagebegründung der BI
11.11.2021 Erwiderung der Beklagten auf die Klagebegründung der BI (664 Seiten und ca. 500 Seiten als Anlagen.
Die Beklagte bittet um Zustimmung für notwendige Baugrunduntersuchungen.
11.11.2021 Die Beklagte stellt den Antrag, den Eilantrag der BI abzulehnen.
17.12.2021 Die BI stimmt nach einer Ortsbesichtigung dem Wunsch nach Durchführung der Baugrunduntersuchung zu.
16.8.2022 Die Bi weißt den VGH und die Gegenseite auf ein Urteil des EuGH (vom 05.05.2022 – C-525/20) und die Schlussanträge hin. Dieses Urteil beschränkt die Erteilung von Ausnahmen von Verschlechterungsverbots der Wasserqualität erheblich.
4.1.2023 Erwiderung der BI auf die Replik der Beklagten vom 11.11.2021 (40 Seiten)
2.2.2023 Fragen des VGH an die Beklagte (12 Seiten)
18.4.2023 Antwort der Beklagten auf die Fragen des VGH vom 2.2.2023 (120 Seiten)
21.3.2023 Erwiderung der Beklagten auf die Replik der BI vom 4.1.2023 (190 Seiten)
11.8.2023 Der Verwaltungsgrichtshof Baden-Württemberg legt als letzte Frist für Vorträge der Parteien den 8.9.2023. fest.
25.8.2023 Letzter Vortrag der Klägerin. Den Ausführungen der Beklagen zu den Datengrundlagen für die Planung, dem Thema Schadstoffe, Grenzwert, Analytik und dem Verschlecherungsverbot, der Notwendigkeit einer Störfallbetrachung in der UVS sowie der Wirkung ökologischer Flutungen muss entschieden widersprochen werden. (27 Seiten)
2.6.2023 Der Verwaltungsgrichtshof hat für die mündliche Verhandlung der Klage folgenden Ablauf geplant:
Das vom Gericht beauftragte Gutachten zur Dammbauweise wird, laut Mitteilung des Gutachters,
nicht bis zu den Verhandlungsterminen vorliegen, sodass ein zusätzliche Verhandlungstermine notwendig wurden.
2.6.2023 Der Verwaltungsgrichtshof hat für die Fortführung der mündlichen Verhandlung der Klage folgende Termine angesetzt:
Bisherige Erkenntnisse:
Wenn man die Angaben der Textvolumina anschaut, kommt man nicht umhin festzustellen, dass seitens der Beklagten zuerst
einmal mit großen Textvolumina gearbeitet wird. Dadurch sollte man sich nicht beeindrucken lassen.
Bei näherer Betrachtung der Texte fällt schon auf, dass es sich in hohem Maße nicht um aktuelle, projektbezogene Darstellungen/Erläuterungen handelt, sondern überwiegend um allgemeine Papiere, wie z.B. Erläuterungen zum IRP, zum Hochwasserschutz, etc. und bei vielen Gutachten um veraltete Erhebungen, die teilweise viele Jahre zurückliegen.
Auch die Planungsgrundlagen (Hochwasserdaten, Jährlichkeiten, Überflutungsverhälnisse sowie statistische Grundlagen) weisen nicht nur beim Polder Bellenkopf/Rappenwört gravierende Mängel auf. Dies trifft in gleichem Maße auch für die bereits genehmigten Oberrhein-Polder zu.
Durch die konkreten Nachfagen des Gerichtes wurden weitere Planungsdefizite offensichtlich (Datengrundlagen, Funktionesfähigkeit der ökologischen Flutungen,...).
Das Rheinwasser erheblich schadstoffbelastet ist, wird von den Planern ignoriert, wie auch die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie bei priotitär gefährlichen Stoffen.
Beim Polder Bellenkopf/Rappenwört hätten die vorgesehenen ökologischen Flutungen im ungünstigsten Fall zudem zur Folge, dass mehr als 50% des geplanten Rückhaltevolumens bereits durch Vorfüllung als Folge der ökologischen Flutungen für die Hochwasserrückhaltung (Retention) verloren gingen.
Wir halten dies gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels mit sich häufenden extremen Wettersituationen für unverantwortlich.
Häufig wird übersehen, dass die erweiterten Klagebefugnisse eines Umweltverbandes sich nur auf die in der Satzung fixierten Ziele beziehen.
Für die Fortführung der Verhandlung hat das Gericht die Termine 16. und 17.11.2023 festgelegt.
Zwischenzeitlich ist auch ein Verfahren beim EuGH anhängig, was der Beklagten sehr große Probleme bereiten könnte.